NEIN-SAGEN zu Einladungen von Verwandten

Da liegt sie im Briefkasten, die freundliche Einladung zu Kaffee und Kuchen im Garten bei Tante Carolin. Eigentlich weiß ist sofort, dass ich sonntags keine 50 km hin und wieder 50 km zurückfahren will, um an dieser Veranstaltung teilzunehmen. Warum beschäftigt es mich so intensiv, darauf angemessen zu reagieren und einfach abzusagen? Beim Joggen habe ich die ganze Zeit darüber nachgedacht, wie ich damit umgehen soll und was nun das Beste ist. Ich war mental sehr abgelenkt und finde es schade, so wenig vom Park im Sonnenlicht, dem herrlichen Grün der Bäume, dem Vogelgezwitscher und anderen Parkbesuchern mitbekommen zu haben.

Meine liebe Tante macht mich allerdings auch auf etwas aufmerksam, wofür ich ihr dankbar bin. Ich habe offensichtlich trotz allem Gelernten Schwierigkeiten, mich gut abzugrenzen. Ich will sie nicht verletzen, was ein schnörkelloses Nein ohne erklärende Worte tun würde. Und ich möchte gemocht werden. Es gibt noch Anteile in mir, die glauben, dass ich, wenn ich die an mich gestellten Erwartungen erfülle, geliebt werde.

Natürlich will ich auch nicht so viel Zeit mit langen Erklärungen, warum wir nicht kommen werden, verbringen. Zudem bin ich ihr ja auch keinerlei Rechenschaft schuldig, muss mich nicht rechtfertigen und will mich und meine Bedürfnisse gar nicht verteidigen brauchen.

Wenn ich ehrlich zu mir bin, ist es ja in Wirklichkeit auch gar kein Zeitproblem, womit ich argumentieren würde. Um eine Freundin in Barcelona zu besuchen, könnte ich mir schon Zeit einrichten. In Wirklichkeit ist es doch so, dass es in der knappen Freizeit viel interessantere Alternativen als diesen Besuch bei der Tante gibt und bei genauerer Betrachtung ehrlich gesagt kein Grund übrigbleibt, weshalb ich der Einladung folgen sollte, außer dem, dass der Gastgeber meinen Besuch wünscht.

Mir geht auch diese Beharrlichkeit von Menschen, die beruflich nicht so eingespannt sind und zudem nicht gern allein sind, auf die Nerven. Sie wiederholen Ihre Einladungen in kurzen Abständen und erhöhen den Druck: „Es soll dieses Jahr im Sommer noch klappen!“ Ich fühle mich mit meiner Lebenssituation wenig gesehen und unverstanden. Menschen, für die Freizeit ein weniger kostbares Gut ist und die mit ihrer Lebenszeit nicht so viel anzufangen wissen, haben ganz andere Vorstellungen vom ihrem Leben und mich befremdende Erwartungen an mich. Auch ein Nein verstehen sie nicht gut und drängen und fordern.

Es sagt sich halt nicht leicht, „Du ehrlich gesagt, habe ich gar keine Lust, mit Dir Kaffee in Deinem Garten zu trinken“. Einfach die Wahrheit zu sagen und die Verantwortung, damit fertig zu werden, beim anderen zu lassen, ist gesellschaftlich unüblich bis verpönt. Dabei würde es für Klarheit und kurze Wege sorgen.

Jetzt überlege ich ernsthaft, ob ich so mutig sein soll, einfach ehrlich meine Meinung zu sagen. Wohl fühle ich mich sowieso nur mit Menschen, die aus Überzeugung selbst offen und ehrlich sind.

So eine Einladung ist eine seltsame Sache. Ich habe den Verdacht, dass unter dem Deckmäntelchen, dem Gast etwas Gutes tun zu wollen, es eigentlich um etwas ganz anderes geht. Der Gastgeber braucht Zuwendung und Bestätigung und verpackt sein Bedürfnis ganz geschickt. Aber in Wirklichkeit ist sein Angebot ein Auftrag, was am Druck, mit dem Einladungen in engen Zeitabständen wiederholt ausgesprochen werden, erkennbar wird. Ginge es wirklich darum, dem Gast eine Freude zu machen, dann würde der Gastgeber sich doch so verhalten, dass er Freude und nicht Stress erzeugt.

Für mich ist es unangenehm, andere zu enttäuschen. Nur in dem Fall bin gar nicht ich diejenige, die die Tante enttäuscht. Die Tante Caroline enttäuscht sich selbst, weil sie andere Menschen nicht gut wahrnimmt und mit ihren egoistischen Wünschen unter Druck setzt.

Der liebe Gutmensch fällt da gern drauf rein.

So, Schluss damit – ich sage einfach NEIN.

„Liebe Tante Carolin,

vielen Dank für die Einladung.
Ich werde sie nicht wahrnehmen.
Lieben Gruß und Dir alles Gute –

Regine

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